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Nr. 034 - Nightmare

 

 

Kira ging langsam an den großen Villen der cardassianischen Militäroffiziere vorbei. Die prunkvollen Häuser am Stadtrand bildeten einen auffälligen Kontrast zu den heruntergekommenen Wohnvierteln der Bajoraner. Die Grenzen wurden ständig überwacht, da ihnen das Betreten der cardassianischen Wohnbereiche strengstens verboten war. Die Widerstandskämpfer ließen sich davon allerdings nicht aufhalten.
Kira hatte sich im Schutz der hereinbrechenden Dunkelheit an den Wachen vorbei geschlichen und war nun auf der Suche nach einem für einen Einbruch geeigneten Haus. Die übliche Beute, Lebensmittel und Kleidungsstücke, waren zwar auch auf einem leichteren Weg zu besorgen, aber mit den Einbrüchen zeigten die Widerstandskämpfer den Cardassianer, dass sie, wie gut die Häuser auch abgesichert waren, einen Weg finden würden, an ihr Ziel zu kommen. Aufgeben kam für sie nicht in Frage.
Kira hatte sich für eines, der im Dunklen liegenden Häuser entschieden. Die Fünfzehn-jährige ließ sich auf ein gefährliches Unterfangen ein, da sie nicht wusste, ob die Bewohner wirklich nicht da waren, oder nur schliefen. Der Zaun war recht hoch, das Drüberklettern würde für sie trotzdem nicht wirklich ein Problem darstellen, aber er wurde von einem Kraftfeld umgeben, das bei einer Berührung schmerzhafte Stromschläge austeilte und einen Alarm auslöste. Folglich führte der einzige Weg unten durch, da der Zaun und damit das Kraftfeld nicht bis in den Boden reichten. Sie begann zu graben. In kurzer Zeit hatte sie einen schmalen Durchgang geschaffen., sie schlüpfte hindurch und ging auf das Haus zu.
Im Erdgeschoss war ein Fenster offen, leises Schnarchen drang aus dem Inneren. Sie riskierte einen kurzen Blick durchs Fenster, konnte einen Körper auf dem Bett erkennen. Die Schlafzimmertür war offen. Die Fünfzehn-jährige kletterte in den Raum und durchquerte ihn leise. Nach ein paar Minuten fand sie die Küche, die an einen großen Speiseraum grenzte. Sie durchsuchte sämtliche Schränke, fand eine Dose Maguwa-Bohnen, einige Früchte, eine Packung Knabbergebäck und eine große Flasche eisgekühlten Sama-Tee.
Nachdem sie ihre Beute in ihrem abgewetzten Lederrucksack verstaut hatte, musste den Rückweg durch das Schlafzimmer antreten. Der Cardassianer schlief noch immer. Als sie ungefähr in der Mitte des Zimmers war, hörte er plötzlich auf zu schnarchen und drehte sich um. Sie erschrak daraufhin heftig, fuhr herum und stieß mit ihrem Rucksack gegen eine Vase, die in einem Regal stand. Mit einem lauten Klirren fiel diese zu Boden. Der Cardassianer erwachte dadurch, und begriff fast sofort was passiert war. Er betätigte einen Schalter woraufhin ein Alarm aufheulte und holte einen Phaser aus seinem Nachtkästchen hervor.
Kira sprang aus dem Fenster und landete etwa einen Meter tiefer im Gras. Der Cardassianer folgte ihr. Sie durchquerte den Garten im Zickzack, um den Energiestrahlen des Phasers auszuweichen. Als sie das schmale Loch wieder erreicht hatte, war der Cardassianer ziemlich dicht hinter ihr. Sie schob zuerst den Rucksack durch den Durchgang  und brachte dann sich selbst in Sicherheit. Der große stämmige Mann konnte ihr auf diesem Weg nicht folgen, er musste den Umweg durch das Eingangstor nehmen. Doch sie war noch lange nicht aus dem Schneider.
Irgendwo in der Nähe heulte ein toskanarischer Hund, das Geräusch hallte gespenstisch durch die Dunkelheit. Mit Hilfe dieser, zum Angriff trainierten Tiere, war es für die Cardassianer nicht weiter schwer, jemanden aufzuspüren. Sie reagierten auf die geringsten Geräusche und Bewegungen. Kira musste schleunigst weg. Das

 

Versteck der Widerstandszelle Shakaar war eine Höhle in den Bergen von Dhakur, doch dorthin konnte sie erst zurückkehren, wenn ihr niemand mehr folgte. Sie rannte so schnell sie konnte.  Vor ihr lag ein Feld, wenn sie es durchquerte, bot sie ein leichtes Ziel für ihre Verfolger, aber sie konnte nirgendwo anders mehr hin. In der Dunkelheit konnten die Cardassianer bei einer größeren Entfernung nicht mit ihren Phasern zielen, aber sie hatten den toskanarischen Hund, den sie bei sich hatten, losgelassen. Kira konnte das Knurren des Tieres und die Geräusche, die seine Pfoten in Gras verursachten. Der Hund kam unerbittlich näher. Das inzwischen beinahen unerträglich gewordene Stechen über ihrer rechten Hüfte, zwang sie, ihr Tempo etwas zu verlangsamen. Plötzlich spürte sie ein Gewicht, das auf ihren Rücken stürzte und zu Boden riss. Scharfe Krallen zerrissen den Stoff ihrer Kleidung und bohrten sich ins tief ins Fleisch. Sie spürte warmes Blut auf ihrer Haut. Eine falsche Bewegung und der Hund würde ihr die Kehle zerfetzen.
Das Tier bellte stolz, als die Cardassianer ihn erreichten. Dann wich er zurück, um ihnen seine Beute zu überlassen. Der Führer der Truppe, dem auch der Hund gehörte, packte Kira am Arm und riss sie unsanft in die Höhe: „Na, was haben wir denn da? Wenn das nicht ein Mitglied des Widerstandes ist. Zu welcher Zelle gehörst du?“ Sie gab keine Antwort, woraufhin ihr der Mann kräftig ins Gesicht schlug. Sie musste sich verdammt zusammenreißen, um keinen schmerzerfüllten Aufschrei von sich zu geben. „Sag mir zu welcher Zelle du gehörst, und wo euer Versteck ist, dann lasse ich dich vielleicht am Leben!“ Doch anstatt einer Antwort trat sie im so fest sie konnte gegen das Schienbein, woraufhin er schmerzerfüllt das Gesicht verzog und sie losließ. Doch einer der anderen Cardassianer fasste sie fast sofort wieder und übergab sie seinem Vorgesetzten: „Dummes Ding, du willst es nicht anders, wie?“ „Ich sterbe lieber, bevor ich meine Freunde verrate!“ „Wie du willst.“ Er hob seinen Phaser, zielte auf ihren Bauchbereich und schoss. Die Wucht des Energiestrahles warf sie zu Boden. Ihr Bewusstsein wurde von einer warmen Schwärze überflutet. Sie gab sich der Dunkelheit hin und das Letzte was sie sah, war der Cardassianer, der sich über sie beugte.

 

Dann fuhr sie mit einem Schrei in die Höhe. Die Bilder des Traumes lösten sich langsam auf, aber das immer wiederkehrende Piepen, das sie einem cardassianischen Ausrüstungsgegenstand zugeordnet hatte, klang jetzt lauter. Sekunden später begriff sie, dass es sich um den Weckruf des Computers handelte. „Computer, Licht.“ Daraufhin wurde es hell in ihrem Quartier. Sie blieb noch einen Moment aufrecht im Bett sitzen, bis das Licht die letzten Schatten des Traumes vertrieb. Solche Alpträume hatte sie oft, die Erlebnisse aus ihrer Kindheit verfolgten sie nach 13 Jahren immer noch so, als wäre es erst gestern gewesen. Sie verbannte die Todesangst endgültig aus sich, schob sie in den hintersten Teil ihres Selbst. Zurück blieben Wut und Hass auf die Cardassaner, durchaus berechtigte Gefühle, angesichts der vielen tausend Bajoraner, die sie auf dem Gewissen hatten. Das Sprichwort Die Zeit heilt alle Wunden ging ihr durch den Kopf. Niemals würde sie ihnen vergeben können. Das ließ sie Gul Dukat, dem früheren Kommandanten von Terok Nor alias Deep Space Nine jedes Mal sehr deutlich spüren.
Sie musste an ihre Familie denken. Unter den wenigen Dingen, die sie noch von damals hatte, befand sich ein Foto von ihnen. Sie holte es aus dem kleinen grauen Behälter, indem sich unter anderem ihr Tagebuch von früher, und ein Büchlein mit bajoranischen Legenden, das ihr Vater ihr einmal geschenkt hatte, befand. Das Foto war das Letzte, dass ihr von ihrer Familie geblieben war. Es zeigte ihre Eltern, vor welchen drei Buben von zwei, vier und fünf Jahren im Gras saßen. Ihre Mutter hielt ein wenige Monate altes Baby im Arm. Das war sie selbst. An ihren Vater und ihre Brüder erinnerte sie sich recht gut, ihre Mutter war gestorben, als sie drei Jahre alt gewesen war. Sie schluckte eine Träne hinunter und legte das Foto wieder zu den anderen Dingen in die Kiste, die immer neben dem abgewetzten Lederrucksack am Boden des Schrankes stand.

 

    Ende

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