Kira ging langsam an den großen Villen der cardassianischen
Militäroffiziere vorbei. Die prunkvollen Häuser am Stadtrand bildeten einen auffälligen
Kontrast zu den heruntergekommenen Wohnvierteln der Bajoraner. Die Grenzen wurden ständig
überwacht, da ihnen das Betreten der cardassianischen Wohnbereiche strengstens verboten
war. Die Widerstandskämpfer ließen sich davon allerdings nicht aufhalten.
Kira hatte sich im Schutz der hereinbrechenden Dunkelheit an den Wachen vorbei geschlichen
und war nun auf der Suche nach einem für einen Einbruch geeigneten Haus. Die übliche
Beute, Lebensmittel und Kleidungsstücke, waren zwar auch auf einem leichteren Weg zu
besorgen, aber mit den Einbrüchen zeigten die Widerstandskämpfer den Cardassianer, dass
sie, wie gut die Häuser auch abgesichert waren, einen Weg finden würden, an ihr Ziel zu
kommen. Aufgeben kam für sie nicht in Frage.
Kira hatte sich für eines, der im Dunklen liegenden Häuser entschieden. Die
Fünfzehn-jährige ließ sich auf ein gefährliches Unterfangen ein, da sie nicht wusste,
ob die Bewohner wirklich nicht da waren, oder nur schliefen. Der Zaun war recht hoch, das
Drüberklettern würde für sie trotzdem nicht wirklich ein Problem darstellen, aber er
wurde von einem Kraftfeld umgeben, das bei einer Berührung schmerzhafte Stromschläge
austeilte und einen Alarm auslöste. Folglich führte der einzige Weg unten durch, da der
Zaun und damit das Kraftfeld nicht bis in den Boden reichten. Sie begann zu graben. In
kurzer Zeit hatte sie einen schmalen Durchgang geschaffen., sie schlüpfte hindurch und
ging auf das Haus zu.
Im Erdgeschoss war ein Fenster offen, leises Schnarchen drang aus dem Inneren. Sie
riskierte einen kurzen Blick durchs Fenster, konnte einen Körper auf dem Bett erkennen.
Die Schlafzimmertür war offen. Die Fünfzehn-jährige kletterte in den Raum und
durchquerte ihn leise. Nach ein paar Minuten fand sie die Küche, die an einen großen
Speiseraum grenzte. Sie durchsuchte sämtliche Schränke, fand eine Dose Maguwa-Bohnen,
einige Früchte, eine Packung Knabbergebäck und eine große Flasche eisgekühlten
Sama-Tee.
Nachdem sie ihre Beute in ihrem abgewetzten Lederrucksack verstaut hatte, musste den
Rückweg durch das Schlafzimmer antreten. Der Cardassianer schlief noch immer. Als sie
ungefähr in der Mitte des Zimmers war, hörte er plötzlich auf zu schnarchen und drehte
sich um. Sie erschrak daraufhin heftig, fuhr herum und stieß mit ihrem Rucksack gegen
eine Vase, die in einem Regal stand. Mit einem lauten Klirren fiel diese zu Boden. Der
Cardassianer erwachte dadurch, und begriff fast sofort was passiert war. Er betätigte
einen Schalter woraufhin ein Alarm aufheulte und holte einen Phaser aus seinem
Nachtkästchen hervor.
Kira sprang aus dem Fenster und landete etwa einen Meter tiefer im Gras. Der Cardassianer
folgte ihr. Sie durchquerte den Garten im Zickzack, um den Energiestrahlen des Phasers
auszuweichen. Als sie das schmale Loch wieder erreicht hatte, war der Cardassianer
ziemlich dicht hinter ihr. Sie schob zuerst den Rucksack durch den Durchgang und
brachte dann sich selbst in Sicherheit. Der große stämmige Mann konnte ihr auf diesem
Weg nicht folgen, er musste den Umweg durch das Eingangstor nehmen. Doch sie war noch
lange nicht aus dem Schneider.
Irgendwo in der Nähe heulte ein toskanarischer Hund, das Geräusch hallte gespenstisch
durch die Dunkelheit. Mit Hilfe dieser, zum Angriff trainierten Tiere, war es für die
Cardassianer nicht weiter schwer, jemanden aufzuspüren. Sie reagierten auf die geringsten
Geräusche und Bewegungen. Kira musste schleunigst weg. Das
Versteck der Widerstandszelle Shakaar war eine Höhle in den
Bergen von Dhakur, doch dorthin konnte sie erst zurückkehren, wenn ihr niemand mehr
folgte. Sie rannte so schnell sie konnte. Vor ihr lag ein Feld, wenn sie es
durchquerte, bot sie ein leichtes Ziel für ihre Verfolger, aber sie konnte nirgendwo
anders mehr hin. In der Dunkelheit konnten die Cardassianer bei einer größeren
Entfernung nicht mit ihren Phasern zielen, aber sie hatten den toskanarischen Hund, den
sie bei sich hatten, losgelassen. Kira konnte das Knurren des Tieres und die Geräusche,
die seine Pfoten in Gras verursachten. Der Hund kam unerbittlich näher. Das inzwischen
beinahen unerträglich gewordene Stechen über ihrer rechten Hüfte, zwang sie, ihr Tempo
etwas zu verlangsamen. Plötzlich spürte sie ein Gewicht, das auf ihren Rücken stürzte
und zu Boden riss. Scharfe Krallen zerrissen den Stoff ihrer Kleidung und bohrten sich ins
tief ins Fleisch. Sie spürte warmes Blut auf ihrer Haut. Eine falsche Bewegung und der
Hund würde ihr die Kehle zerfetzen.
Das Tier bellte stolz, als die Cardassianer ihn erreichten. Dann wich er zurück, um ihnen
seine Beute zu überlassen. Der Führer der Truppe, dem auch der Hund gehörte, packte
Kira am Arm und riss sie unsanft in die Höhe: Na, was haben wir denn da? Wenn das
nicht ein Mitglied des Widerstandes ist. Zu welcher Zelle gehörst du? Sie gab keine
Antwort, woraufhin ihr der Mann kräftig ins Gesicht schlug. Sie musste sich verdammt
zusammenreißen, um keinen schmerzerfüllten Aufschrei von sich zu geben. Sag mir zu
welcher Zelle du gehörst, und wo euer Versteck ist, dann lasse ich dich vielleicht am
Leben! Doch anstatt einer Antwort trat sie im so fest sie konnte gegen das
Schienbein, woraufhin er schmerzerfüllt das Gesicht verzog und sie losließ. Doch einer
der anderen Cardassianer fasste sie fast sofort wieder und übergab sie seinem
Vorgesetzten: Dummes Ding, du willst es nicht anders, wie? Ich sterbe
lieber, bevor ich meine Freunde verrate! Wie du willst. Er hob seinen
Phaser, zielte auf ihren Bauchbereich und schoss. Die Wucht des Energiestrahles warf sie
zu Boden. Ihr Bewusstsein wurde von einer warmen Schwärze überflutet. Sie gab sich der
Dunkelheit hin und das Letzte was sie sah, war der Cardassianer, der sich über sie
beugte.
Dann fuhr sie mit einem Schrei in die Höhe. Die Bilder des
Traumes lösten sich langsam auf, aber das immer wiederkehrende Piepen, das sie einem
cardassianischen Ausrüstungsgegenstand zugeordnet hatte, klang jetzt lauter. Sekunden
später begriff sie, dass es sich um den Weckruf des Computers handelte. Computer,
Licht. Daraufhin wurde es hell in ihrem Quartier. Sie blieb noch einen Moment
aufrecht im Bett sitzen, bis das Licht die letzten Schatten des Traumes vertrieb. Solche
Alpträume hatte sie oft, die Erlebnisse aus ihrer Kindheit verfolgten sie nach 13 Jahren
immer noch so, als wäre es erst gestern gewesen. Sie verbannte die Todesangst endgültig
aus sich, schob sie in den hintersten Teil ihres Selbst. Zurück blieben Wut und Hass auf
die Cardassaner, durchaus berechtigte Gefühle, angesichts der vielen tausend Bajoraner,
die sie auf dem Gewissen hatten. Das Sprichwort Die Zeit heilt alle Wunden ging ihr durch
den Kopf. Niemals würde sie ihnen vergeben können. Das ließ sie Gul Dukat, dem
früheren Kommandanten von Terok Nor alias Deep Space Nine jedes Mal sehr deutlich
spüren.
Sie musste an ihre Familie denken. Unter den wenigen Dingen, die sie noch von damals
hatte, befand sich ein Foto von ihnen. Sie holte es aus dem kleinen grauen Behälter,
indem sich unter anderem ihr Tagebuch von früher, und ein Büchlein mit bajoranischen
Legenden, das ihr Vater ihr einmal geschenkt hatte, befand. Das Foto war das Letzte, dass
ihr von ihrer Familie geblieben war. Es zeigte ihre Eltern, vor welchen drei Buben von
zwei, vier und fünf Jahren im Gras saßen. Ihre Mutter hielt ein wenige Monate altes Baby
im Arm. Das war sie selbst. An ihren Vater und ihre Brüder erinnerte sie sich recht gut,
ihre Mutter war gestorben, als sie drei Jahre alt gewesen war. Sie schluckte eine Träne
hinunter und legte das Foto wieder zu den anderen Dingen in die Kiste, die immer neben dem
abgewetzten Lederrucksack am Boden des Schrankes stand.
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